Schneider Schreibgeräte wird Fünfundsiebzig Teil 2
„Die gute Schneider-Mine“ erreichte in den 1960er Jahren die Spitze ihrer Bekanntheit. Ihre rationelle industrielle Fertigung wurde von Schneider intensiv forciert, wozu neben der Normierung auch die Entwicklung von Spezialmaschinen ihren Beitrag leisteten. Die Preise konnten gesenkt werden und bei gleichzeitig wachsendem Wohlstand war der Kugelschreiber für jedermann erschwinglich. Christian Schneider ahnte früh, dass mit der alleinigen Produktion von Minen die Zukunft der Firma nicht gesichert war.
Neben der traditionellen Metallverarbeitung hält 1957 die Kunststofftechnik Einzug und die Herstellung von kompletten Schreibgeräten wird aufgenommen. Kugelstifte und Schreibtischkugelschreiber in geschmackvoll gestalteten Ständern erweitern das Schneider-Sortiment. 1960 schließen die Firmen Schneider und edding einen Exklusivvertrag für den Verkauf von Markern durch die 1951 gegründete Schneider-Vertriebsorganisation für Deutschland und West-Berlin. Damit steigt deren Bedeutung als Fachhandelslieferant weiter an. Die Vereinbarung mit edding grenzt die Zuständigkeiten ab. Stifte mit Filz- und Faserspitze sind den Hamburgern vorbehalten und Schneider kümmert sich vorwiegend um Schreibgeräte mit Kugelspitze. Als Massenhersteller mit hohem Automationsgrad erlangt Schneider im Bereich der Alltags- und Bürokugelschreiber einen Spitzenplatz. Das Sortiment wird um Großraumminen erweitert. Größte Anstrengungen unternimmt Schneider in der Entwicklung von Tintenschreibern und Tintenpatronen und muss dabei anfänglich herbe Rückschläge verkraften. 1975 erfolgt mit dem international wohlklingenden Namen „Topball“ der Verkaufsstart der neuen Produktgattung der Rollerballs.
Am 1. Januar 1975 tritt Roland Schneider in die Firma ein und führt zusammen mit seinem Vater das Familienunternehmen in die zweite Generation. Als Firmengründer Christian Schneider nach kurzer schwerer Krankheit im Juli 1978 verstirbt, obliegt ihm die alleinige Geschäftsführung. Seine Leidenschaft ist die Schreibgerätetechnik und sein Ziel die Entwicklung der Firma zum Technologieführer. Zur Stärkung von Marketing und Vertrieb beruft Roland Schneider 1981 mit Herbert Breves einen Mann an seine Geschäftsleitungs-Seite, der langjährige Berufserfahrung von Pelikan mitbringt.
Der Produktabgrenzungsvertrag mit edding wird 1976 ausdrücklich auf Deutschland begrenzt und später Einzelprodukte gänzlich herausgelöst. Das gibt Schneider die Möglichkeit, auch die Entwicklung von Filz- und Faserschreibern zu betreiben. In das Produktdesign kommt neuer Schwung und es entstehen attraktive Kugelschreiber, Tintenschreiber und Schreibtischsets. 1980 wird das neu erbaute Werk II in Tennenbronn eingeweiht und dadurch im Stammhaus dringend benötigter Raum für die weitere Expansion im Schreibgeräte-Segment geschaffen. 1982 wird die erste Montagelinie für Textmarker aufgestellt und der Produktname „Job“ geboren. 1985 beginnt Schneider mit dem Aufbau einer eigenen Fertigung von Polyesterspitzen und -Tintenleitern - eine Schlüsseltechnologie, die selten in der Welt und noch seltener in Europa zu finden ist. Einen Meilenstein im Kugelschreiber-Sortiment setzt 1987 der neue K1, der auch nach über 25 Jahren noch zu den bestverkauften Modellen gehört. 50 Jahre Schneider: 1988 kann man beim großen Mitarbeiter- und Kundenfest feststellen, dass sich die Firma wieder stark entwickelt hat und in den zehn Jahren unter seiner Leitung den Umsatz mehr als verdoppelte.
1989 fällt der eiserne Vorhang zwischen den Völkern in West- und Osteuropa. Dadurch eröffnen sich neue Absatzmärkte und Schneider ist gut gerüstet. Mit einem Vollsortiment an alltagstauglichen Schreibgeräten lassen sich schnell Erfolge erzielen, die den Exportanteil der Firma spürbar erhöhen. Auf der Frankfurter Messe 1991 bahnt sich eine Beziehung mit dem ehemaligen VEB heiko in Wernigerode an. Der wichtigste Füllerproduzent der erloschenen DDR ist in existentiellen Schwierigkeiten. Schon einen Monat später ist Roland Schneider bei seinem Besuch in Wernigerode überzeugt, dass die vorhandene Reglertechnologie für die Marke Schneider neue Chancen bietet. Innerhalb weniger Tage wird ein Entwicklungskonzept aufgestellt und der Treuhand in Magdeburg vorgelegt. Das Konzept überzeugt gegen mehrere Mitbewerber und am 2. Juni 1991 erfolgt die Unterzeichnung des Übernahmevertrags. Schneider baut in Wernigerode und bezieht 1992 ein völlig neues Füllhalterwerk. Gestaltung, Konstruktion und Aufbau eines modernen Füllhaltersortiments werden mit Hochdruck betrieben. Die ersten Modelle kommen schon 1993 auf dem Markt. Die ersten Reglerstifte unter den Namen Xtra und Easy entstehen.
Auch im Stammhaus in Tennenbronn bleibt das Investitionstempo hoch. 1991 wird der Neubau für die Kugel- und Tintenschreiberfertigung bezogen. Direkt im Anschluss beginnt einer der größten und schwierigsten Bauabschnitte am Standort Schwarzenbach. Quasi aus dem Felsen gesprengt wird das Areal für eine neue Kunststoffspritzerei, Werkzeugbau und technische Büros. Mit der Modellreihe K15 besetzt Schneider ab 1993 das untere Preissegment der Druckkugelschreiber. Nach und nach gelingt es, damit alle Markenwettbewerber zu verdrängen und bis heute steht der K15 an erster Stelle der GfK-Hitliste in Deutschland.
Umweltthemen erzielen gesteigerte Aufmerksamkeit. Schneider bringt 1993 die Nachfüllpatrone für Textmarker und setzt in der Kommunikation auf das Thema „Ein Gehäuse - viele Minen“. Die „universelle Passform“ für verschiedene Minen wird konstruiert. Umweltfragen beschäftigen Roland Schneider seit jeher und er ist bemüht, die negativen Auswirkungen auf die Produktionsumgebung so minimal wie möglich zu halten. Konsequent greift er die neue freiwillige EMAS-Verordnung auf, installiert ein Umweltmanagementsystem und veröffentlicht 1998 die erste von einem unabhängigen Gutachter geprüfte Umwelterklärung. Fast 15 Jahre wird es dauern, bis das nächste Unternehmen der Branche diesem Schritt folgt.
1997 kündigt edding mit Wirkung zum Jahresende den gemeinsamen Vertriebsvertrag und Schneider findet mit dem Hefter- und Locherhersteller NOVUS einen neuen Partner. Mit einer 40-prozentigen Beteiligung von NOVUS entsteht die Schneider Novus Vertriebs GmbH in Weilheim bei München. Schneider schließt nahtlos schon im Katalog 1998 die von edding hinterlassene Sortimentslücke der Marker. Mit Optimismus geht es ins neue Jahrtausend. Sortimente und Produktion in Tennenbronn und Wernigerode sind gut aufgestellt und von der Euro-Einführung werden neue Impulse für das Exportgeschäft erwartet.
Die Pleite der Investmentbank Lehman im April 2008 ist der Auftakt einer neuen weltweiten tiefen Finanzkrise. Die Produkte und Märkte von Schneider zeigen sich relativ robust und überstehen das schlimme Jahr 2009 ohne Verlust. Die drei Folgejahre zählen sogar zu den erfolgreichsten der jüngeren Firmengeschichte mit Rekordumsätzen und zahlreichen neuen Arbeitsplätzen.
Diese positive Entwicklung ist u.a. durch den 2007 vorgestellten Kugelschreiber Slider mit innovativer Viscoglide-Technologie getragen. Slider ist eine Antwort von Schneider auf die beliebten leichtschreibenden Gelstifte, aber ohne deren Nachteile in Kapazität und Lagerfähigkeit. Das Slider-Konzept ist international überaus erfolgreich. Schon 2010 kommt die nächste Modellgeneration in der von nun an systemtypischen Farbe Cyan.
2010 stellt Roland Schneider die Weichen für die Fortführung des Familienunternehmens in die dritte Generation und nimmt seinen Sohn Christian in die Geschäftsleitung auf. Der inzwischen erreichten Größe des Unternehmens angemessen wird auch der bisherige Leiter für Marketing und Vertrieb Frank Groß zum Geschäftsführer berufen. Schneider gibt sich erneut ein neues Erscheinungsbild. Logo und Firmenfarben sollen helfen, dass sich die Marke in einem umkämpften Markt behaupten kann und besser wahrgenommen wird. Das neue Displaykonzept bewirkt schnell spürbare Umsatzzuwächse. In den zwei Jahren 2011 und 2012 legt Schneider um stolze 18 Prozent zu und gehört damit zu den am schnellsten wachsenden Firmen der Branche.