Interview mit Christian Schneider „Für jede Hand den passenden Stift" veröffentlicht in der Südwestpresse am 08.12.2012
Christian Schneider wollte nicht in das elterliche Unternehmen Schneider Schreibgeräte einsteigen. Auf einer Weltreise, auf der er in vielen Ländern Produkte aus seiner Firma sah, kam der Sinneswandel.
Es ist faszinierend, Christian Schneider zuzuhören, wenn er über seine Firma Schneider Schreibgeräte in Schramberg-Tennenbronn (Kreis Rottweil) spricht. Der 34-Jährige redet mit so viel Begeisterung und Leidenschaft über Produktionsabläufe, Marketing, die Qualität von Schreibstiften, deren Innenleben und wie sie in der Hand liegen sollten. Man käme nie auf die Idee, dass er gar nicht vorhatte, in das Unternehmen sein Großvater 1938 gegründet hatte, einzusteigen. "Ich hab mich nach dem Studium erst mal dem elektronischen Handel zugewandt", sagt er. Er ging zu Ebay nach Berlin und war Manager und dabei verantwortlich für einen jährlichen Handelsumsatz von mehreren hundert Millionen Euro.
Der Sinneswandel kam 2008 auf einer Weltreise, zu der ihn seine damalige Freundin und jetzige Ehefrau Cordula animiert hatte. Sie hatte ihr Studium beendet und wollte vor dem Berufseinstieg die Welt sehen. Ihr Freund kündigte bei Ebay und flog mit ihr los. Damals schon war Christian Schneider der Gedanke nicht mehr ganz so fremd, in das Familienunternehmen einzusteigen. Sein Vater Roland wusste allerdings nichts davon, hatte die Hoffnung, dass eines seiner vier Kinder die Nachfolge antreten könnte, fast schon aufgegeben.
"Wir haben auf der Reise mehrere unserer Vertretungen besucht", sagt Schneider. Aber auch andernorts ist er fast überall auf der Welt Schneider-Minen und -Stiften begegnet. "Ich fand es sensationell, dass unsere Produkte weltweit zu finden sind. Das motiviert." Und es zeigte ihm, dass das, was in Tennenbronn hergestellt wird, doch ganz attraktiv ist. Im Oktober 2008 war das Paar auf Neuseeland, und Christian Schneider schickte seinem Vater eine E-Mail, dass er in das Unternehmen einsteigen wolle. Zu Weihnachten waren die beiden Weltenbummler wieder zuhause, und die Entscheidung des ältesten Sohnes wurde gebührend gefeiert.
Seit 2009 führt Christian Schneider die weltbekannte Firma nun in dritter Generation weiter. Zusammen mit seinem Vater Roland und dem Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb, Frank Groß, bildet er das Führungs-Team. "Wir sind sehr teamorientiert", sagt der junge Chef. Die Dinge müssten gemeinsam bewegt werden, um voran zu kommen. Dabei schließt er die Mitarbeiter mit ein.
Beim Rundgang durch das Werk wird die familiäre Atmosphäre deutlich. Christian Schneider tritt nicht als Chef auf. "Wir haben eine enge Bindung mit unseren Mitarbeitern, sind bei Fragen und Problemen ansprechbar und präsent." An jedem Tag, den er in Tennenbronn ist, geht er durch das labyrinthartige Werk, spricht mit Mitarbeitern.
Als Kind war er selten hier. Erst mit 15 Jahren war er zum ersten Mal in der Firma, um in den Schulferien ein zweiwöchiges Praktikum zu machen. "Dabei war mir nicht bewusst, dass das die Firma meiner Familie ist", sagt er. Er und seine Geschwister seien bodenständig und ohne Allüren erzogen worden und aufgewachsen. Das hat sich gehalten. Schneider begegnet Gästen mit einer sympathischen Offenheit und selbstverständlichen Natürlichkeit.
Sein Weg, die unternehmerische Tradition in der Familie weiterzuführen, hat seine jüngste Schwester Martina offenbar angesteckt. Auch sie ist in die Firma eingetreten und hat den PR-Bereich übernommen. Ehefrau Cordula ist für das Marketing zuständig, präsentiert die Schneider-Produkte unter anderem auf Messen.
Die Palette ist groß: Vom einfachen Kugelschreiber über Textmarker bis hin zum Füller wird alles produziert und ständig weiterentwickelt. Dafür investiert das Unternehmen viel Geld. "Wir investieren lieber in die Firma, als uns ein schnelles Auto zu kaufen", sagt Schneider. Das gebiete auch die soziale Verantwortung, die man als Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeitern habe. "Uns ist wichtig, dass die Firma läuft und die Menschen bei uns ihr Geld verdienen können." Schneider Schreibgeräte ist in Tennenbronn der größte Arbeitgeber.
Das Bemühen um Energieeinsparungen ist ein anderes Gebiet von Investitionen. Schneider ist als erstes und einziges Unternehmen seiner Branche seit mehr als zehn Jahren nach dem weltweit strengsten Umwelt-Management-System EMAS zertifiziert. Es verlangt unter anderem, dass Mitarbeitern innerdeutsche Flüge untersagt sind und sie mit dem Zug reisen sollen.
Im vergangenen Frühjahr wurde das neueste Projekt gestartet: Jeder Mitarbeiter, der sich verpflichtete, an 80 Tagen im Jahr mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen, erhielt kostenlos ein E-Bike. In diesem Jahr waren 23 E-Bike-Fahrer unterwegs, für das nächste Jahr liegen zehn neue Anfragen vor.
Der Chef selber hat auch versucht, öfter mit dem Rad zur Firma zu fahren. Das war schwierig, weil die Radwege von seinem Wohnort Villingen nach Tennenbronn offenbar schlecht ausgebaut sind. "Vielleicht bringt unsere Aktion die Kommunen dazu, die Radwege besser auszubauen", sagt er.
Quelle: Walheim, Petra “Für jede Hand den passenden Stift“ veröffentlicht in Südwestpresse am 08.12.2012